Eiszeiten und Geschiebe Dieser Abschnitt besteht aus drei Teilen: |
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1. Was ist Geschiebe?
(hier unterhalb) 2. Gletscherschliffe - Zeugen der Eisbewegung (Seite 2) 3. Windkanter und Eiskanter (Seite 3) |
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1. Was ist Geschiebe?
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Was sind Leitgeschiebe? Da die Gletscher bei ihrer Bewegung massenhaft Gesteine mitgenommen haben, kann man, wenn man die Herkunft dieser Steine ermittelt, Rückschlüsse auf die Bewegungen des Eises ziehen. Dazu braucht man typische, leicht wiedererkennbare Gesteinstypen, die aus einer eingrenzbaren Region im Norden stammen. Finden sich diese Gesteine hier im Geschiebe, beweist das den Transport aus dieser Landschaft zu uns. Solche Gesteinstypen, die unverwechselbare Merkmale haben und in Skandinavien nur in einer Gegend vorkommen, nennt man „Leitgeschiebe". Ein Beispiel für ein solches Leitgeschiebe ist der folgende Rapakiwi-Granit.
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Dieses Gestein ist regelmäßig im Geschiebe zu finden und stammt immer von den Ålandinseln zwischen Schweden und Finnland. Seine rundlichen "Augen" (Ovoide) mit dem Saum sind absolut unverwechselbar. Die Ovoide bestehen aus Alkalifeldspat, der von einem Ring aus Plagioklas umgeben ist. Dieser Plagioklas (ebenfalls ein Feldspat) verwittert leicht, so daß oft ein heller Saum an der Oberfläche dieser Steine zu erkennen ist. Die genaue Beschreibung dieses Gesteins finden Sie hier. Sein Vorkommen beschränkt sich keineswegs auf Norddeutschland. Dieses Gestein habe ich ohne Mühe auch weit im Süden (im Raum Altenburg/Leipzig) oder im Dresdener Kopfsteinpflaster gefunden. Die Karte hier oben gibt einen guten Eindruck, wie groß die Fläche ist, in der Sie Leitgeschiebe finden können. Solche Leitgeschiebe, von denen es über 200 gibt, machen aber nur einen geringen Prozentsatz des gesamten Geschiebes aus. Das Geschiebe besteht nicht aus Leitgeschieben, sondern enthält sie zu einem kleinen Teil. Der Großteil aller Geschiebe sind Allerweltsgesteine ohne auffällige Besonderheiten. Sie sind nur allgemein ansprechbar. In jedem Falle ist es erforderlich, zuerst das Gestein zu bestimmen und danach zu überprüfen, ob es sich um ein Leitgeschiebe handelt. Eine kurze Einführung in die Gesteinsbestimmung finden Sie ebenfalls auf dieser Internetseite. (Zur Gesteinsbestimmung). An dieser Stelle bietet die Geschiebekunde einen lohnenden Einstieg in die Geologie insgesamt. Wer sich genauer mit dem beschäftigt, was überall zu seinen Füßen herumliegt, wird sich bald für die Entstehung und Zusammensetzung von Gesteinen interessieren. Er wird unweigerlich auf die langen Zeiträume der Entstehung und den Kreislauf der Gesteine stoßen und findet sich schnell mitten in der Entwicklungsgeschichte unseres Planeten wieder, die nach wie vor in vollem Gange ist. Skandinavien hebt sich nach der letzten Eiszeit, vom Gewicht der Gletscher befreit, immer noch langsam empor, die noch vorhandenen Gebirge werden abgetragen und es kommen alte Erosionsflächen zum Vorschein, die vor langer Zeit schon einmal Landoberfläche waren. Geschiebe können Ihnen bei diesem Einstieg in die Geologie helfen. Sie können aber auch einfach die Granite und Gneise betrachten und sich an deren Schönheit erfreuen. Auf jeden Fall sind Grundkenntnisse hilfreich. Dann wird aus dem, was für andere nur ein Haufen Geröll ist, eine Sammlung von Boten aus dem ältesten Gebirge Europas. Wenn Sie mehr über einzelne Geschiebe erfahren möchten: Hier geht's zur Sammlung! |
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Gelegentlich sieht man Zeichnungen zum Thema "Eiszeit", in denen sich eine Wand aus blauem Gletschereis über eine mehr oder weniger grüne Landschaft schiebt. So ist es ganz gewiß nicht abgelaufen. Eiszeiten sind lang andauernde Kaltzeiten. Ein Besucher würde nur eine komplett verschneite Landschaft vorfinden. In der Antarktis findet gerade eine Eiszeit statt und ebenso kann man sich das auch für europäische Verhältnisse vorstellen. Der Rand des Gletschers liegt in einer kargen Landschaft (Tundra) und ist nur im Sommer als Eismasse zu erkennen, im Winter ist auch diese Landschaft verschneit. Das Eis rückt immer soweit vor, bis der Rand in einen Klimabereich kommt, in dem sich der Nachschub im Winter und das Abschmelzen im Sommer die Waage halten. Kühlt sich die Atmosphäre langfristig ab (kürzere Sommer, länger werdende Winter), so reduziert sich das Abschmelzen im Sommer. Die Schneemenge, die im Sommer nicht mehr komplett abtaut, vergrößert den Gletscher. Der Eispanzer wächst und wenn das Eis nach vielen Jahren dann etliche Zehner Meter dick ist, beginnt es unter der Schneedecke ganz langsam seitlich zu fließen. Eis verhält sich wie eine sehr zähe Flüssigkeit. Ein guter Vergleich ist das Verhalten von Honig auf einer ebenen Platte. Ein dicker Klecks zähflüssiger Honig läuft breit, behält aber eine gewisse Dicke. Ebenso verhält sich Eis, nur im größeren Maßstab. Im Gebirge, wo es starke Neigungen gibt, ist die Fließbewegung stärker als im Flachland. In ebenem Gelände ist es mehr die Dicke des Eises, die zum "Auseinanderlaufen" führt, als das Gefälle des Untergrundes. Wegen seiner Ähnlichkeit mit einer Flüssigkeit fließt ein Gletscher in ebenem Gelände um ein gleich hohes Hindernis herum und nicht darüber hinweg. Das aus Skandinavien stammende Eis bewegte sich zwar über sehr große Entfernungen, aber es kam nur so weit, bis es ein Hindernis erreichte, das so hoch war wie das Eis dick. Man kann noch heute an den Hängen der Gebirge (zum Beispiel am Harz) die ungefähre Dicke des Eises ablesen, indem man auf Hanglagen nach Geschieben sucht. Da allerdings Wind und Wetter ständig die Berge abtragen, genügt es nicht, ein einzelnes Geschiebe zu finden und daraus Schlüsse zu ziehen. Man muß schon viele Proben in einer Höhe finden, um Aussagen über ehemalige Eisränder machen zu können. Zur Entstehung einer großen Vergletscherung, die Tausende Quadratkilometer umfaßt und kilometerdickes Eis wachsen läßt, bedarf es nicht nur eines kalten Klimas, sondern auch einer Landmasse als Unterlage. Nur auf festem Untergrund wachsen richtig dicke Gletscher, die dann zu einer kräftigen seitlichen Fließbewegung in der Lage sind. |
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Zusätzlich liefern die Gletscherschrammen in den Herkunftsländern Norwegen, Schweden und Finnland ein gutes Bild darüber, wie sich dort das Eis bewegte. Im großen und ganzen paßt alles gut zusammen. Die Eisschrammen auf den Felsen zeigen mehr oder weniger nach Süden und die von dort stammenden Gesteine finden wir bei uns. Man geht im allgemeinen davon aus, daß der Eispanzer mit seiner Mitte über Schweden lag und von dort aus das Eis nach allen Richtungen abfloß. Daher liegen in England viele Gesteine aus Südnorwegen, in Mitteleuropa überwiegend schwedische Steine und in Estland und Westrußland die Vertreter aus Finnland.
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Einige Gesteine spielen nicht mit. Die Gletscherstriemen auf dem skandinavischen Gebirge sind überwiegend Momentaufnahmen aus den letzten Phasen der letzten Vereisung. Mit großer Wahrscheinlichkeit gab es aber noch andere Bewegungen als die, die sich aus den heute noch erhaltenen Spuren auf dem Untergrund ablesen lassen. Wir finden im Geschiebe nämlich auch Gesteine, die mit den Eisbewegungen, so wie sie sich aus den Gletscherschrammen ergeben, keinesfalls hierher gekommen sein können. Gesteine aus Finnland dürften eigentlich nicht hier sein - sie sind es aber doch. Wieso das? Die Gletscherschrammen (= Eisbewegung) zeigen im Osten der Ålandinseln und in ganz Finnland in die falsche Richtung. Die Gletscherspuren weisen dort einheitlich nach Südosten, weg von der Mitte des skandinavischen Gebirges, weg von Schweden. Wieso können wir dann aber hier in Norddeutschland und in den Niederlanden Gesteine finden, die aus Westfinnland oder sogar aus dem Wiborgpluton stammen und die eigentlich in Lettland oder Estland liegen müßten? Der Weg, den diese Steine genommen haben, liegt im rechten Winkel (!) zur Gletscherstriemung. Eine Möglichkeit wäre, kräftige Strömungen von Schmelzwässern in den Zeiten zwischen den Vergletscherungen anzunehmen. So könnten Flüsse in Zeiten der Gletscherschmelze einzelne Gerölle nach Westen in die Ostsee gespült haben, wo sie in der nächsten Eiszeit auf dem gewohnten Weg mitgenommen wurden. Dagegen spricht die Größe einiger Findlinge, die zweifellos den beschriebenen Weg zurückgelegt haben. Ein Beispiel ist ein weißer Festlandsrapakiwi, der auf der Insel Lemland (ein Teil von Åland) liegt und schon deutlich über 1,5 Tonnen wiegt. (Bild, 300 kB) Das Gestein stammt sehr wahrscheinlich aus dem Nystadt-Massiv an der finnischen Küste. Um dorthin zugelangen, wo er heute liegt, mußte er sich nach Südwesten bewegen. Im Herkunftsgebiet (Südwestfinnland) bewegte sich das Eis aber nach Südosten. Ein zweites Beispiel ist ein Großgeschiebe auf dem Autobahnrastplatz "Rosengarten" im Süden von Hamburg. Es handelt sich um ein Musterbeispiel eines Rapakiwis vom finnischen Festland, das etwa 12 Tonnen wiegt und dessen Status als Geschiebe verbürgt ist. (Bild, 300 kB) Auch dieses Gestein hat sich insgesamt anders bewegt, als die Gletscher der letzten Eiszeit. Lothar Eissmann 1) bietet eine Lösung an, die viel für sich hat: Die Transporte der finnischen Gesteine zu uns werden verständlich, wenn man annimmt, daß sich das zentrale Gebiet der Vergletscherung sich während der Eiszeiten weit nach Osten verlagert hat .
So eine Verlagerung ist nicht unplausibel.
Schließlich bedarf es vieler Voraussetzungen für eine lang andauernde
Vergletscherung - insbesondere muß es über Jahrtausende hinweg genügend
Niederschlag (Schnee) geben, damit die Gletscher beständig wachsen und
fließen können. Die Vergletscherung selbst beeinflußt aber das Klima
weltweit. Der Wasserstand der Weltmeere lag während der Vereisungen
teilweise mehr als 100 Meter tiefer als heute, da damals große Mengen Wasser
in Form von Eis an Land gebunden waren. So ist es sehr wahrscheinlich, daß
sich während der Vereisungsperioden die Klima- und Wetterverhältnisse
drastisch geändert haben. Eine Folge davon könnte das Wandern der
Schneefallgebiete und damit des Vereisungszentrums sein. 1) Lothar Eissmann: Quartärgeologie und
Geschiebeforschung im Leipziger Land,
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