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Västervik-Fleckenquarzit

Zusammenfassung: Die bisher als „Stockholm-Fleckenquarzite“ bezeichneten Gesteine kommen aus dem Gebiet um Västervik in Südschweden. Das steht fest, nachdem bei mehreren Exkursionen größere Mengen dieser metamorphen Gesteine in der Umgebung von Västervik gefunden wurden. Gleichzeitig sind nach wie vor keine Vorkommen solcher Gesteine im Raum Stockholm bekannt.
Die Quarzite zeichnen sich durch helle Flecken von wenigen Millimetern Größe aus, die regellos in den feinkörnigen, meist grauen, braunen oder auch rötlichen Gesteinen verteilt sind. Diese Flecken bestehen aus Sillimanit, das während der Metamorphose von Sedimenten neu gebildet wurde. Gelegentlich sind noch Reste der ursprünglichen Sedimentschichtung erkennbar. Typische Fleckenquarzite sehen so aus:


Der folgende Text ist ein Gastbeitrag von Marc Torbohm aus Berlin. Er hat mehrere Exkursionen in die Gegend um Västervik unternommen, unter anderem zusammen mit Tobias Langmann. Die hier vorgestellten Erkenntnisse sind ein anschaulicher Beleg dafür, dass jedermann grundlegend Neues zur Geschiebekunde beitragen kann.
Alle Bilder dieser Beschreibung in der
„Stockholm“-Fleckenquarzit aus dem Västervik-Gebiet?
Inhalt
1. Was sind Fleckenquarzite?
Beispiele aus dem Geschiebe
Fleckenquarzite sind feinkörnige metamorphe Gesteine von meist grauer oder brauner Farbe, die viele weiße und runde bis oval geformte Flecken von wenigen Millimetern Durchmesser aufweisen (Abb. 1).
Die Grundmasse besteht aus Quarz und etwas Dunkelglimmer, wobei der Glimmeranteil von Hand kaum abzuschätzen ist, wohl aber immer recht gering zu sein scheint. Unter der Lupe erkennt man in den Flecken manchmal fein verfilzte Aggregate, was ein Hinweis auf Sillimanit ist. Sillimanit widersteht der Verwitterung eher als die Grundmasse aus Quarz und Glimmer, deshalb stehen die Flecken auf angewitterten Geschieben gelegentlich erhaben oder pockenartig über der Gesteinsoberfläche (Abb. 2). Feldspat ist makroskopisch nicht erkennbar.
Die gelblich-grünen Färbungen sind nur auf der Verwitterungsseite wahrnehmbar. Folgende drei Bilder zeigen Details des gleichen Fundes vom Geröllstrand in Kühlungsborn.
Solche Fleckenquarzite wurden gehäuft im Västervik-Gebiet gefunden und können „Fleckenquarzite vom Västervik-Typ“ genannt werden. Sie kommen nicht aus der Umgebung von Stockholm und sollten deshalb auch nicht als „Stockholm-Fleckenquarzit“ bezeichnet werden. Dies wird weiter unten ausführlich begründet.
Das Merkmal der „Flecken“ ist ein ganz zwangloser Begriff einer direkten Beobachtung von farblichen - und damit auch mineralogischen - Kontrasten in einem feinkörnigen Gestein. Petrographisch handelt es sich im Fall der Fleckenquarzite um Granoblasten, also lokalen metamorphen Neubildungen von Mineralen, die zunächst keine erkennbare Kristallstruktur aufweisen. Sind die Sillimanit-Fasern unter der Lupe erkennbar, kann man auch von einer fibroblastischen Ausbildung sprechen.
Die Flecken erreichen Größen von gewöhnlich etwa 2-3 mm, ausnahmsweise auch mal 6 mm (Abb. 25). Sie zeigen keine klare Abgrenzung zur Grundmasse und können einen schwarzen und/oder einen roten Saum besitzen (Abb. 5, Abb. 21). Die Säume können auch fehlen. Manchmal finden sich einzelne oder mehrere kleine Körner eines dunklen Minerals im Zentrum der Flecken. Die Grundmasse ist gewöhnlich grau oder braun gefärbt und kann lokal rot oder seltener auch grünlich eingefärbt sein. Die Verteilung der Flecken im Gestein ist regellos, das Gesteinsgefüge insgesamt undeformiert. Seltener kann man auch eine perlschnurartige Einregelung (Abb. 20) der Flecken beobachten.
Unterscheiden muss man die Fleckenquarzite von feinkörnigen Fleckengneisen, die man an unseren Stränden gelegentlich findet. Letztere besitzen einen abweichenden Mineralbestand (z .B. Feldspat + Quarz + Glimmer oder einen sehr hohen Glimmeranteil), häufig ein gneisartiges Gefüge sowie helle (meist weiße) und längliche, linsenartige Flecken. Solche „Fleckengneise“ stammen aus weiter nördlich gelegenen Gebieten und werden ganz am Schluss dieses Artikels kurz erwähnt (Abb. 31-33).

Die durchgehend graue Grundmasse mit weißen Flecken lässt keine Deformationserscheinungen erkennen.

Die dunkelgraue Grundmasse besteht aus Quarz und Biotit, die undeutlich konturierten Flecken vermutlich ausschließlich aus Sillimanit. Ihre faserige Beschaffenheit wird im vorliegenden Fund erst unter dem Mikroskop sichtbar. Die großen und reflektierenden Mineralkörner in der Bildmitte sind Magnetit, der sich in manchen Fleckenquarziten mit einem Handmagneten nachweisen lässt. Foto: T. Langmann.




2. Entstehung
Fleckenquarzite sind metamorphe Gesteine, die aus sandigen Sedimenten mit tonigen (= aluminiumreichen) Anteilen entstanden. Diese Sedimente wurden im Zuge der svekofennischen Gebirgsbildung auf eine Tiefe von etwa 10 km versenkt. Aufsteigende granitische Magmen verursachten, bei mäßigem Druck und hohen Temperaturen, die Bildung von Sillimanit in Form von Granoblasten („Flecken“). Bei dieser chemischen Reaktion handelt es sich um die klassische „Muskovit-Entwässerung“, vereinfacht:
Muskovit + Quarz → Kalifeldspat + Sillimanit + Wasser.
Unter ähnlichen Bedingungen, aber veränderten chemischen Voraussetzungen entstanden übrigens auch die bunten Västervik-Fleckengesteine, die Cordierit enthalten. Beide Gesteine besitzen Alter von etwa 1,88-1,85 Milliarden Jahren.
3. Herkunft der Fleckenquarzite
In der Geschiebekunde wurden solche Gesteine bislang als „Stockholm-Fleckenquarzit“ bezeichnet, obwohl kein einziges Vorkommen in der Umgebung von Stockholm bekannt ist. Lediglich ein Verweis auf ähnliche Gesteine in einer Fußnote in Geijer 1912 [1] veranlasste Hesemann 1975 dazu, ihre Heimat in der Umgebung von Stockholm anzunehmen. Diese Vermutung wurde von nachfolgenden Autoren und Sammlern offenbar ohne Prüfung übernommen. Es gibt jedoch weder in der übrigen geologischen Literatur Hinweise auf ein solches Vorkommen, noch wurden bisher Funde von Fleckenquarziten bei Stockholm bekannt. Die Ortsangabe „Stockholm“ beruht auf einem Missverständnis und ist deshalb zu streichen.
Dagegen fanden M. Torbohm und T. Langmann in der Umgebung von Västervik in Südostschweden eine große Anzahl an Fleckenquarziten als Nahgeschiebe. Diese Funde sind exakt die bisher als „Stockholm-Fleckenquarzit“ bezeichneten Typen.
Da sich am Fundort fast keine Ferngeschiebe fanden, müssen diese Fleckenquarzite aus der näheren Umgebung (nördlich bis nordwestlich) von Västervik stammen. Das ergibt sich aus der Richtung des Eistransports, die anhand von Gletscherschrammen bekannt ist. Bisher konnte trotz intensiver Suche bisher kein anstehendes Vorkommen lokalisiert werden.
In Quarzit-Aufschlüssen fand sich zwar mehrfach das Västervik-Fleckengestein, bisher aber keine Fleckenquarzite. Auf Östra Skälö wurde immerhin ein Mischtyp eines Fleckenquarzits mit einem Fleckengestein gefunden (Abb. 19). In der geologischen Literatur (z.B. Gavelin 1984) gibt es Hinweise auf anstehende Vorkommen. Diese Lokalitäten liegen auf Schären, die nur schwierig zu erreichen sind und bisher noch nicht besucht wurden.
4. Funde im Västervik-Gebiet:

Quelle: SGU
Die hellblaue Signatur markiert die Metasedimente der Västervik-Formation. Dies sind hauptsächlich Quarzite in unterschiedlichen Farben und Ausprägungen und nur in untergeordneter Menge Vorkommen des Västervik-Fleckengesteins und sehr wahrscheinlich auch der Fleckenquarzite. Die Koordinaten der folgenden Lokalitäten sind am Ende des Abschnitts aufgeführt.
4.1. Nahgeschiebe

Stadtrand von Västervik.
Die Lokalität 2 ist eine Böschung mit Geröllen am Stadtrand von Västervik, in der reichlich Fleckenquarzite zu finden waren.
Ausbeute an Fleckenquarziten (die sog. „Stockholm-Fleckenquarzite“!) an der Lokalität 2 nach wenigen Minuten Suche. Es überwiegen einfache graue bis braune Typen mit weißen Flecken. Der Anteil an Flecken ist variabel und einige Fleckenquarzite weisen rote Tönungen auf. Alle Funde zeigen ein undeformiertes Gefüge, gneisartige Varianten waren nicht dabei. Bildbreite etwa 40 cm.

Auf der rechten Seite ein grauer und ein brauner, teilweise rot pigmentierter Fleckenquarzit. Links oben ein lediglich fleckiger Quarzit, darunter ein Västervik-Fleckengestein. Mengenmäßig dominierten in dem Aufschluss die gewöhnlichen grauen Västervik-Quarzite mit mind. 50 % Anteil an allen Geschieben. Weiterhin gab es einige Granite, Västervik-Fleckengesteine und hin und wieder einen Loftahammar-Augengneis. Ferngeschiebe haben wir (T. Langmann & M. Torbohm) nicht gefunden. Das Material muss also zum größten Teil aus nächster Nähe stammen.








Es sei noch einmal betont, dass die Menge der Funde an bisher drei Lokalitäten im Umkreis der Stadt Västervik die Herkunft der Fleckenquarzite aus dem Stockholm-Gebiet widerlegt!





Lokalität 3, Sammlung T. Langmann.
4.2. Anstehendprobe eines Mischtyps
Im Hafen in Östra Skälö, ganz im Süden des Västervik-Gebiets, fanden wir im Anstehenden einen Mischtyp aus Fleckenquarzit und Västervik-Fleckengestein (Lokalität 4). Das Gestein bildet eine etwa 50 cm breite Einschaltung zwischen grauem Västervik-Fleckengestein und Västervik-Quarzit. Neben diesem Mischtyp gab es dort auch eine kleine Sequenz mit orangerotem Västervik-Fleckengestein.

Die inhomogene, rot und grau gefärbte Grundmasse besitzt eine quarzitische Zusammensetzung. Biotit tritt in kleiner Menge in der Grundmasse und gehäuft in den schwarzen Flecken auf. Die weißen Flecken sind Granoblasten aus Sillimanit (oben). Das rote Pigment ist nicht bestimmbar und Feldspat ebenfalls nicht zu erkennen.
Unten der Dünnschliff dieser Probe.


Die Untersuchung bestätigte, dass die weißen Flecken aus Sillimanit bestehen. Das Bild rechts (mit gekreuzten Polarisatoren) zeigt den Sillimanit in einer rötlichen Färbung und in der typisch feinfaserigen Ausbildung.
Bemerkenswert ist auch das Korngefüge des Gesteins insgesamt: Die hellen und hellgrauen, ungefähr gleich großen und polygonal ausgebildeten Quarzkörner der Grundmasse sind typische Kennzeichen für eine Umkristallisation im festen Zustand während der Metamorphose. Aus ursprünglich lose verbundenen Quarzkörnern eines sandsteinähnlichen Ausgangsmaterials entstand dieses kompakte Gefüge, das ebenfalls als granoblastisch bezeichnet wird und nur im Dünnschliff sichtbar wird.
5. Fleckenquarzite im nördlichen Östergötland?

Im nördlichen Östergötland zwischen Kolmården und Stockholm, also mindestens 100 km nördlich von Västervik, hat der Autor (M. Torbohm) einen einzelnen Fleckenquarzit am Strand von Kolmården [3] gefunden (Abb. 31). Seine Herkunft ist nicht bekannt, sie muss aber nördlich liegen. Trotzdem gibt es nach aktuellem Kenntnisstand keine größeren Vorkommen von Fleckenquarziten im Gebiet zwischen Kolmården und Stockholm.
Der Fleckenquarzit-Fund von Kolmården weicht ab von den Västervik-Typen durch eine ungleichmäßige Verteilung der Flecken. Manche Flecken sind braun. Solche Flecken wurden im Västervik-Gebiet bisher nicht entdeckt. Außerdem fallen in den Flecken exzentrische, dunkle Mineralkörner (hier: Biotit) auf, die in dieser Größe ebenfalls nicht im Västervik-Gebiet vorkommen.
6. Fleckengneise
Im nördlichen Östergötland finden sich aber nicht selten graue und kleinkörnige Fleckengneise aus Quarz, Feldspat und Glimmer - anstehend und als Nahgeschiebe in Kiesgruben. Die hellen Flecken sind meist elliptisch oder linsenförmig geformt und können eine Länge von einigen Millimetern bis mehreren Zentimetern erreichen. Nur wenige Funde dieser Fleckengesteine sind undeformiert, die meisten besitzen ein gneisiges oder schieferartiges Gefüge.
Einige dieser feinkörnigen Gneise enthalten Sillimanit, der an seiner faserigen Ausbildung erkennbar ist (v.a. unten links, s. Abb. 32). Die Grundmasse aller Funde ist nicht quarzitisch. Neben wechselndem, teilweise hohem Anteil an Glimmer oder grünlichen, chloritähnlichen Mineralen sind zumindest in den etwas körnigeren Gesteinen (z. B. rechts unten) Quarz und Feldspat enthalten. Häufig kann man aufgrund der Feinkörnigkeit dieser Gesteine keine näheren Aussagen zum Mineralbestand der Grundmasse machen.

Der Blick geht auf die Foliationsebene. Dadurch sehen die weißen Flecken nicht flach und linsenförmig, sondern eher ei- und sternförmig aus. Gut sichtbar ist hier die faserige Beschaffenheit des Sillimanits. Neben viel dunklem Glimmer ist Quarz und ein weiteres, unbestimmtes Mineral zu erkennen, vermutlich Feldspat.

(Lokalität 6), Bildbreite 22 cm.
7. Proben
Lokalität |
Gesteinstyp |
Beschreibung |
Koordinaten WGS84DD |
Lok. 1 |
Geschiebe (Fleckenquarzite u. m.) als Einfassung auf dem Parkplatz |
Parkplatz ICA-Stormarknad, Västervik |
57.767546, 16.595644 |
Lok. 2 |
Geschiebe (Fleckenquarzite u. m.) |
Fahrradweg, nahe der Autorennbahn (Motorbana), Västervik |
57.768130, 16.585394 |
Lok. 3 |
Geschiebe (Fleckenquarzite u. m.) |
Fossiler Strandwall an der Straße nach Händelöp, SSE Västervik |
57.718765, 16.671451 (Parkplatz) |
Lok. 4 |
Anstehender Mischtyp Fleckenquarzit/ Fleckengestein |
Felsen am Hafen von Östra Skälö. |
57.58986, 16.63201
|
Lok. 5 |
Geschiebe (v.a. Fleckengneise; ein einzelner Fleckenquarzit) |
Rollsteinstrand am Campingplatz Kolmården/ Östergötland |
58.65718, 16.40712 |
Lok. 6 |
Anstehender Fleckengneis |
Baugebiet in Snörom bei Kolmården/ Östergötland |
58.66476, 16.41711 |
8. Ausgewählte Literatur
Gavelin S 1983 The Västervik Area in South-eastern Sweden - SGU Ser. Ba No. 32, 172 S, Uppsala.
Geijer P 1912 Zur Petrographie des Stockholm-Granites - GFF 35: 123-150.
Hesemann J 1975 Kristalline Geschiebe der nordischen Vereisungen - GLA Nordrhein-Westfalen, S. 191-192.
Lindén A G 2010 Beskrivning till jordartskartan 6G Vimmerby NO & 6H Kråkelund NV - SGU K 177: 7, Uppsala.
Zitate und Fußnoten:
[1] Geijer P 1912 Zur Petrographie des Stockholm-Granites GFF 35: 123-150
[2] Karte des Västervik-Gebietes: Der Ausschnitt stammt aus: Bergman, S., Stephens, M.B., Andersson, J., Kathol, B. & Bergman, T., 2012: Sveriges berggrund, skala 1:1 miljon. Sveriges geologiska undersökning K 423. Abgerufen unter: https://apps.sgu.se/geolagret/
[3] Das einzelne Geschiebe wurde an Lokalität 5 gefunden. Koordinaten siehe oberhalb.
Marc Torbohm
[aus: kristallin.de]