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Das Grundgebirge Skandinaviens
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Das Grundgebirge der Länder Norwegen, Schweden und Finnland bildet den westlichen Teil einer ausgedehnten kontinentalen Platte, die sich bis zum Ural und in die Ukraine erstreckt. Diese Fläche wird „Fennoskandia“ genannt. Sie besteht zum größten Teil aus Gesteinen, die älter sind als das Präkambrium. Diese bilden den „Baltischen Schild“. Das darauf liegende Kaledonische Gebirge ist jünger und wird nicht zum Baltischen Schild gezählt.
Der Begriff „Grundgebirge“ ist immer im Sinne von „Grundgestein“ zu verstehen, also die feste Erdkruste ohne aufliegende Sedimentgesteine.

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Die Plattentektonik als Motor
Die Kruste der Erde besteht aus Teilstücken („Platten“), die sich zusammen mit dem oberen Erdmantel bewegen. Es gibt ozeanische Platten aus Basalt und kontinentale Platten aus weniger dichten Gesteinen. Ist ozeanische Kruste beteiligt, kann sie unter eine andere Platte abgelenkt (subduziert) werden. Dabei gelangt Wasser in den oberen Erdmantel und verursacht über der Subduktionszone die Bildung von Schmelze. Erreicht dieses Magma die Erdoberfläche, entstehen Vulkane und vulkanische Gesteine. Bleibt es aber stecken, kristallisiert es zu einem grobkörnigen Tiefengestein wie Gabbro oder Granit. Auf diese Art entstehen die allermeisten magmatischen Gesteine in der kontinentalen Kruste.
Bei der Kollision zweier kontinentaler Platten wird keine von beiden subduziert, da sie zu leicht sind. Es entsteht ein Gebirge, bei dem das Auffalten und Verschieben ganzer Gesteinspakete über andere hinweg dominiert. Der Zuwachs an Fläche ist bei einer solchen Kontinent-Kontinent-Kollision besonders groß.
Während jeder Gebirgsbildung wird ab einigen Kilometern Tiefe alles Gestein plastisch verformt. Für ein Zerbrechen ist es zu heiß, aber nicht heiß genug, um zu schmelzen. Die langsame plastische Verformung durch den einseitigen Schub erzeugt ein gestreiftes Gefüge aus hellen und dunklen Lagen. Diese Gesteine nennt man Gneise.


Gelegentlich wird eine so hohe Temperatur erreicht, dass die ersten Minerale schmelzen. Davon sind immer Quarz und Feldspat betroffen. Erstarren sie später wieder, umgeben von noch nicht geschmolzenem Gestein, entsteht ein Migmatit. Diese beiden, Migmatite und vor allem Gneise, sind verlässliche Anzeiger für eine Gebirgsbildung. Wie lang die her ist und ob es ringsum noch Berge oder Hügel gibt, spielt keine Rolle. Wo heute Gneis ist, war vorher immer ein Gebirge. Das gilt überall, in Skandinavien ebenso wie im Erzgebirge.
Plattenkollision und Gebirgsbildung haben in Skandinavien wieder und wieder stattgefunden.Ganze Bergketten wurden emporgehoben und von der Erosion wieder eingeebnet. Schätzungen über die Höhe des verwitterten Gesteins schwanken, jedoch scheinen 10 Kilometer eher die Untergrenze zu sein. In Schweden waren die Gipfel der Berge dort, wo heute die Flugzeuge fliegen und für das noch ältere Grundgebirge in Finnland wird sogar ein Abtrag von etwa 15 Kilometer Gestein angenommen.
Die Gletscher der letzten Eiszeiten haben dazu nur einen kleinen Beitrag geleistet. Den allergrößten Anteil haben Wind und Wetter in den unglaublich langen Zeiträumen, die seit der Bildung der ersten Gesteine vergangen sind.
Archaische Gesteine
Die ältesten Gesteine des Baltischen Schilds liegen im Nordosten Finnlands und auf der Kola-Halbinsel. Sie sind über 2,5 Milliarden Jahre alt und haben ein archaisches Alter.
Die Pfeile rahmen das Gebiet der archaischen Gesteine ein. (Die interne Gliederung ist hier angedeutet, spielt aber für diesen ersten Überblick keine Rolle.)
Die kleinen schwarzen Pfeile zeigen auf archaische Gesteine westlich des Kaledonischen Gebirges (hellgrün), die von der Erosion inzwischen wieder freigelegt wurden.
Die Zeitskala veranschaulicht, wie lang „archaisch“ dauerte: 1,5 Milliarden Jahre. Das ist knapp ein Drittel der Zeit, die unser Planet existiert.


Als eiszeitliche Geschiebe gibt es so alte Gesteine vermutlich nicht in Norddeutschland. Falls doch, kann man sie ohne ein Labor nicht erkennen, denn sie gleichen jüngeren Gesteinen.
Svekofennische Gesteine
„Svekofennisch" heißt: Schweden und Finnland betreffend.2 Die svekofennische Periode dauerte von vor etwa 1,93 bis 1,81 Milliarden Jahren und umfasst eine ganze Reihe von Gebirgsbildungen, in deren Verlauf viel kontinentale Kruste an den archaischen Kern „angeschweißt“ wurde. Dabei vergrößerte sich die Fläche des Baltischen Schildes weit nach Südwesten, was man noch heute am Alter der Gesteine erkennt: Sie werden von Nordosten nach Südwesten jünger.


Das svekofennische Gebiet besteht überwiegend aus magmatischen und metamorphen Gesteinen, von denen viele eine sedimentäre Vorgeschichte haben (Metasedimente). Um sie herum gibt es ausgedehnte Granitplutone. Wie ein so alter Granit heute aussieht, hängt unter anderem davon ab, in welchem Abschnitt der Gebirgsbildung er erstarrte. Gesteine aus der Anfangsphase wurden bei der Gebirgsbildung deformiert und sind heute Gneise. Gesteine aber, die zum Ende hin gebildet wurden, blieben unbeeinflusst und sind noch heute undeformiert.
Insel Kökar/Åland (Foto: Xander de Jong)
Granodiorit von Uppsala
In der jüngeren Vergangenheit gab es mehrere Eiszeiten, deren Gletscher viel Gestein nach Süden verschleppten. Deshalb finden wir überall in Norddeutschland skandinavische Gesteine, viele mit svekofennischem Alter. Es sind vor allem Granite, Gneise, Migmatite und metamorphe Sedimente wie Metagrauwacken oder Quarzite. Deren Metamorphose fand meist bei hohen Temperaturen und relativ niedrigem Druck statt. Das bedeutet, dass Hochdruckgesteine wie zum Beispiel Eklogite fast vollständig fehlen.
Ein Teil der Metasedimente zeigt trotz des hohen Alters immer noch Spuren aus der Entstehungszeit. So erkennt man in manchen Västervik-Quarziten auch nach über 1,9 Milliarden Jahren noch die ehemaligen Sandschichten und vereinzelt findet man sogar Wellenrippel.


Der Transskandinavische Magmatitgürtel - TIB
Am Ende der svekofennischen Gebirgsbildung entstand im Westen ein weiterer großer Gebirgsgürtel, der sich heute als breiter Streifen von Vulkaniten und Tiefengesteinen präsentiert. Seine Fläche umfasst mehrere Tausend Quadratkilometer und er wird „Transskandinavischer Magmatitgürtel“ oder „Transskandinavischer Granit- und Porphyrgürtel“ genannt. Im Englischen wird daraus der „Transscandinavian Igneous Belt“, abgekürzt „TIB“.


Der TIB ist ein zentraler Teil des Baltischen Schilds, auf den in der Literatur regelmäßig Bezug genommen wird. Er durchzieht den Westen Schwedens und setzt sich unter dem kaledonischen Gebirge nach Norden hin fort. An der norwegischen Westküste, wo das kaledonische Gebirge zum Teil schon wieder verwittert ist, zeigen sich ebenfalls einige der TIB-Gesteine (schwarze Pfeile).
Die Bildung des Transskandinavischen Magmatitgürtels dauerte mehr als 200 Millionen Jahre und fällt in die Zeit vor 1,85 bis 1,64 Milliarden Jahren.


Der TIB besteht zum größten Teil aus Graniten und verwandten Gesteinen sowie den dazu zugehörigen Vulkaniten. Das ergibt eine enorme Vielfalt unterschiedlichster Gesteine, die sich über das südschwedische Småland, Östergötland, Dalarna bis hinauf nach Lappland erstreckt. Aus dem TIB stammen viele Granite, Porphyre und Sedimentgesteine, die wir als Leitgeschiebe kennen.


Ein so großes Gebiet ist, aus der Nähe betrachtet, natürlich komplex und besteht aus ganz verschiedenen Teilen, die in der Literatur als TIB-1, TIB-2 usw. bezeichnet werden. Einzelheiten dazu findet man in „The Transscandinavian Igneous Belt (TIB) in Sweden: a review of its character and evolution.“ (Högdahl et.al. 2004) Dieser Text ist mittlerweile im Internet frei verfügbar.
Die westliche Grenze des Transskandinavischen Magmatitgürtels bildet die „Protoginzone“, eine weitere wichtige Struktur im skandinavischen Grundgebirge. Doch bevor wir uns damit genauer beschäftigen, ist ein Blick ins Zentrum des Baltischen Schildes angebracht.
Rapakiwigranite
In der Zeit vor etwa 1,67 bis 1,54 Milliarden Jahren kam es mitten in den Svekofenniden zu einer ganzen Serie magmatischer Ereignisse. Aus der Tiefe drang frisches Magma nach oben, das an Ort und Stelle in der unteren Erdkruste entstand. Der Grund dafür war besonders heißes Gestein im Erdmantel, das aus großer Tiefe aufstieg und die untere feste Kruste so stark aufheizte, dass diese teilweise schmolz. Dieses neu gebildete Magma ließ Vulkane entstehen, wenn es die Oberfläche erreichte. Blieb es in der Kruste stecken, erstarrte es zu grobkörnigen Graniten, die wir heute als Rapakiwis kennen. Weil sie ohne Gebirgsbildung entstanden sind, heißen sie „anorogene Granite“.


Der älteste Rapakiwi ist der Wiborg-Pluton mit einem Alter von 1,67 bis 1,62 Milliarden Jahren. Alle anderen skandinavischen Rapakiwis sind jünger und entstanden vor 1,59 bis 1,54 Milliarden Jahren. Zu ihnen gehören alle westfinnischen Plutone, der Salmi-Rapakiwi vom Ladogasee, Åland, Bottensee, Nordingrå und die Rapakiwis der nördlichen Ostsee.3
Bemerkenswert ist, dass zu dieser Zeit auch auf anderen Kontinenten Rapakiwis entstanden. Zwar gibt es auch jüngere und ältere, aber die meisten Rapakiwis stammen aus dem mittleren Proterozoikum. Das weltweite Durchschnittsalter dieser Granite liegt bei 1,54 Milliarden Jahren. (Rämö 1995)
Protoginzone
Südschweden wird von einer großen, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Störung geteilt, der „Protoginzone“. Sie ist bis zu 30 km breit und besteht aus vielen parallel liegenden Verwerfungen, bei denen sich die Westseite um mehrere Kilometer (!) gehoben hat. In Steinbrüchen kann man diese Verwerfungen sehen, so wie hier im Vaggeryd-Syenit.

(Klevshult, Småland)
Die Verwerfung ist schmal und besteht aus völlig zerriebenem, plattig geschiefertem Gestein. Sie verläuft senkrecht, ist unten gut einen halben Meter breit und oben nur etwa 30 cm. Das Gestein auf der linken Seite hat sich nach oben bewegt.
Zu Bewegungen in einer Störungszone kommt es erst dann, wenn die Spannung größer wird als die innere Reibung. Dann bewegen sich auch kilometergroße Gesteinspakete ruckartig und verursachen ein Erdbeben. Fast alle geologischen Prozesse verlaufen sehr langsam, aber in einer Verwerfung dauern die Bewegungen nur einige Sekunden bis maximal Minuten.
Wie stark die Gesteine in der Protoginzone deformiert sind, hängt von ihrem Abstand zu den Verwerfungen und von ihrem Alter ab. Der geschieferte Amphibolit in den folgenden Bildern befindet sich mitten in der Protoginzone. Er war einst ein Basalt (Hyperit), der durch hohen Druck und hohe Temperatur in einen Amphibolit umgewandelt wurde. Stark einseitiger Druck erzeugte zusätzlich die Ausrichtung der Minerale („Foliation“), die genau parallel zur Protoginzone verläuft. (Aufschluss bei Kristinehamn, nördlich vom Vänernsee.)


An anderen Stellen findet man verschieden stark deformierte Gesteine nebeneinander. Die beiden folgenden sind direkte Nachbarn in einem Steinbruch bei Barnarp (Småland).

(nasse Oberfläche)

(nasse Oberfläche)
Während der ältere Gneis (links) kräftig deformiert wurde, ist der jüngere Barnarp-Granit sehr viel weniger beeinflusst. Sein Gefüge ist nur schwach eingeregelt und seine Feldspäte sind kaum verformt. Der Gneis hat alle Bewegungen in der Protoginzone mitgemacht und ist deshalb so stark metamorph. Der jüngere Barnarp-Granit dagegen blieb weitgehend verschont.
Die Gesteine östlich und westlich der Protoginzone sind miteinander verwandt. Sie haben vergleichbare chemische Zusammensetzungen, sind jedoch unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt gewesen. Überquert man die Protoginzone von Ost nach West, so nimmt auf wenigen Kilometern der Grad der Metamorphose stark zu. Während die Granite östlich der Protoginzone nur schwach metamorph sind, herrschte wenige Kilometer weiter westlich eine Hochdruck-Granulit-Metamorphose. Typische Gesteine sind mafischer Granulit und Retroeklogite. Sie gehören zum Südwestschwedischen Granulitgebiet, das Teil einer weiteren großen Einheit ist, nämlich des svekonorwegischen Grundgebirges.
Svekonorwegische Gesteine
Die svekonorwegische Gebirgsbildung ereignet sich vor etwa einer Milliarde Jahren und prägt den Südwesten Schwedens sowie große Teile des norwegischen Grundgebirges. Die svekonorwegischen Gesteine sind dunkelgrün gezeichnet, die Protoginzone ist die blaue Linie.


Der schwedische Teil der svekonorwegischen Fläche wird als "Südwestschwedisches Gneisgebiet" bezeichnet. Es besteht aus einem östlichen („O“) und einen westlichen Abschnitt („W“), geteilt von der Mylonitzone (grüne Linie). Mylonite sind hochgradig deformierte Gesteine mit stark zerkleinerten und streng parallelen Mineralen. Feldspäte sind nur klein und zeigen die typische „Augenform“. Ihr länglicher, an beiden Seiten geschweifter Umriss ist eine Anpassung an den hohen gerichteten Druck.
Der folgende Mylonit ist ein Geschiebe von der schwedischen Westküste in Bohuslän.


Der östliche Teil des Südwestschwedischen Gneisgebiets erlitt eine besonders kräftige Metamorphose. Hier wurde Granulitfazies erreicht, was mit einer Versenkungstiefe von 30 - 40 km (etwa 10 - 12 kbar) und Temperaturen von deutlich über 700 ° verbunden war. Deshalb nennt man das Gebiet südlich der Linie Varberg - Südende Vätternsee auch „Südwestschwedisches Granulitgebiet“. Die Metamorphose fand dort unter „trockenen" Bedingungen statt, also ohne Wasser oder wasserhaltige Minerale im Gestein. Es entstanden metamorphe Gesteine wie mafischer Granulit, Granatcoronit und lokal auch Eklogit.
Trotz intensiver Metamorphose gibt es dort nicht nur Gneise, denn auch eine starke Metamorphose kann undeformierte Gesteine hervorbringen, die auf den ersten Blick magmatisch aussehen. Das passiert immer dann, wenn Gestein in große Tiefe versenkt, aber nicht durchbewegt wird. Dann passen sich allein die Minerale an, aber das Gefüge bleibt richtungslos. Die Last des Gesteins allein, egal wie hoch, wirkt gleichmäßig in alle Richtungen und verformt nichts – so wie der Wasserdruck am Boden der Ozeane auch gleichmäßig in alle Richtungen wirkt. Um Gestein zu deformieren, braucht es den einseitigen, gerichteten Druck einer Gebirgsbildung.
Die folgende Karte zeigt das Grundgebirge in Südschweden. Senkrecht in der Mitte verläuft die Protoginzone. Östlich davon, in Rot und Gelb, befinden sich die Granite und Vulkanite des TIB und westlich davon das „Südwestschwedische Gneisgebiet“. Genauer gesagt, sein südlicher Teil. Weil dort eine besonders hohe Metamorphose erreicht wurde, heißt dieses Gebiet auch „Südwestschwedisches Granulitgebiet“. Die Diagonalschraffur zeigt seine Ausdehnung.

Oben links ist (blassgelb) der Anfang des westlichen Segments des Südwestschwedischen Gneisgebiets zu sehen. Nachdem dort Zirkone mit einem Alter von 3,4 Milliarden Jahren gefunden wurden, werden hier die Reste von besonders alter Kruste vermutet.
Die svekonorwegischen Gesteine setzen sich in Norwegen fort und bilden eine große geschlossene Fläche. Sie werden dort regional weiter gegliedert: Kongsberg-Region, Bamble-Region, Telemark-Region u. a.
Gleich alte und direkt verwandte Gesteine gibt es auch jenseits des Atlantiks im Osten Nordamerikas. Die svekonorwegische Gebirgsbildung wird dort als „Grenville-Orogen“ bezeichnet. Bis zur Öffnung des Atlantiks waren beide Gebiete eins.
An dieser Stelle sei noch auf ein kleines Gebiet mit einem besonderen Alter hingewiesen: In Blekinge und auf Bornholm finden sich die Spuren der danopolonischen Gebirgsbildung, die sich vor etwa 1,45 Milliarden Jahren ereignete.


Bekannte Gesteine aus dieser Gruppe sind Karlshamn-Granit, Spinkamåla-Granit, Vånga-Granit, der Hammer Granit auf Bornholm und andere. Einige lassen sich von Hand sicher bestimmen, denn sie haben besondere Merkmale, die sie als Leitgeschiebe qualifizieren. So zeichnen sich Karlshamn-Granit und Hammer Granit durch einen besonders hohen Titanitgehalt aus. Der Hammer Granit fällt außerdem durch seine rötlichen, von Hämatit verursachten Verfärbungen auf.


Varanger-Halbinsel
Noch einmal richtet sich unser Blick in den hohen Norden, diesmal zur Varanger-Halbinsel. Dort findet man Spuren von Eiszeiten, die sich vor 635 Millionen Jahren ereigneten. Diese Epoche wird „Kryogenium“ genannt, denn es war kalt. Und das gleich mehrfach. Auch die gelegentlich geäußerte Hypothese vom „Schneeball Erde“, also eines komplett vereisten Planeten, bezieht sich auf genau diese Zeit. Zwar hat es nach heutigem Stand eine Vergletscherung bis zum Äquator wohl nicht gegeben, aber auch eine Eiszeit, die sich auf die hohen Breiten beschränkt, ist eine dramatische Angelegenheit.
Die eiszeitlichen Hinterlassenschaften auf der Varanger-Halbinsel sehen genau so aus wie in Mitteleuropa. Mit einem entscheidenden Unterschied: Dort sind die Ablagerungen viel älter und versteinert.

(Varanger-Fotos: H. Schnick)


(Varanger-Halbinsel)
Die graue Ablagerung über dem gekritzten Sandstein ist der Tillit. Er gleicht einer frischen Moräne aufs Haar, denn hier wie dort stecken unsortiert kleine und große Steine in einer feinkörnigen Masse aus zerriebenem Gestein. Zusammen mit den Gletscherschrammen und gekritzten Geschieben sind Till und Tillit sichere Kennzeichen für eine Kaltzeit mit Gletschern.

auf der Halbinsel Varanger

Das Kaledonische Gebirge
Ganz im Westen liegt auf dem Baltischen Schild das Kaledonische Gebirge. Es ist das jüngste der skandinavischen Gebirge und wurde nach dem römischen Namen für Nordschottland („Caledonia") benannt.
Seine Auffaltung begann im Ordovizium unter der Beteiligung von drei kontinentalen Platten: Baltika, Laurentia und Avalonia. Dabei kollidierte das kleine Avalonia von Süden her mit Baltika, und dieses dann mit Laurentia, dem heutigen Nordamerika. Es entstand der nördliche Großkontinent Laurussia mit dem Kaledonischen Gebirge als Naht in seiner Mitte. Die Kaledoniden waren ein gewaltiger Gebirgszug, vergleichbar mit dem heutigen Himalaja.


(© SGU)
Beim späteren Zerfall von Pangäa wurden die Kaledoniden zerrissen. Seine Reste verteilen sich heute auf den nordamerikanischen Osten, Teile Grönlands, Schottlands und den westlichen Rand des Baltischen Schildes.
Während das Kaledonische Gebirge wuchs, näherte sich aus Süden ein weiteres Krustenstück: Gondwana. Diese beiden großen Platten, Laurussia und Gondwana, kollidierten im Devon und Karbon und bildeten Pangäa, das fast alle damaligen kontinentalen Platten in sich vereinte. Daher sein Name: Pangäa = allumfassendes Land.
Auch bei dieser Vereinigung wurde ein Gebirge aufgefaltet, das wir als das „variskische“ Gebirge kennen. (Auch „variszisch“ geschrieben). Seine Spuren finden wir unter anderem im Harz und im Rheinischen Schiefergebirge.
Bei dieser ganzen Serie von Kollisionen kam es zu vielen Brüchen und Verwerfungen. Einige davon kann man in Schonen sehen, aber die meisten sind von Ablagerungen bedeckt und liegen südlich und südwestlich vom Baltischen Schild. Die Brüche bilden einen breiten Streifen, der den Baltischen Schild begrenzt. Er wird „Tornquist-Teisseire-Zone“ genannt und reicht von der Nordsee bis ins Schwarze Meer. 5

Die Karte ist eine starke Vereinfachung, denn unter den Sedimenten sind viele weitere Brüche und Verwerfungen verborgen. An einigen Stellen kann man sie direkt sehen, wie im Steinbruch von Torpa Klint in Schonen (Person als Maßstab).


Torpa Klint (Schonen)
Die dunklen Streifen in der Wand des Steinbruchs sind mit Basalt gefüllte Verwerfungen bzw. Brüche. Sie verlaufen genau in Blickrichtung und durchziehen zu Hunderten das Grundgebirge in Schonen. Weil alle diese Gänge von Nordwest nach Südost streichen, heißen sie „Nordwest-Dolerite“.
In Torpa Klint ist der Basalt feinkörnig, nur gelegentlich sieht man Feldspäte oder kleine Blasen im Inneren wie im Bild 24. Eine solche Zonierung entsteht, wenn der Basalt am Rand schnell erstarrt und die Mitte etwas länger flüssig bleibt. Dann können dort kleine Plagioklase wachsen oder Fluide sich zu Hohlräumen ausdehnen. Der Gang liegt im Bild 23 rechts von der Person.
Die braune Färbung im Steinbruch ist durch Verwitterung und eindringendes Wasser entstanden. Der frische Gneis ist hell, die Basalte sind dunkelgrau bis schwarz.
Obwohl dieser Steinbruch am Rande der Tornquistzone liegt, liegen die Störungen hier dicht an dicht. Solche parallel liegenden Brüche ziehen sich durch das Grundgebirge bis hinunter nach Mecklenburg-Vorpommern.
Bald nach der Bildung von Pangäa begann auch schon wieder sein Zerfall, begleitet von Vulkanismus in einer für uns kaum vorstellbaren Ausdehnung. Aus dieser Zeit stammen die Rhombenporphyre im Oslograben, die Quarzporphyre von Beucha und Rochlitz in Sachsen, die Porphyre vom Thüringer Wald und die Vulkanite der Saar-Nahe-Senke. Das mit Abstand größte Vorkommen aber liegt im Untergrund von Mecklenburg-Vorpommern. Dort erstrecken sich die permischen Vulkanite über Hunderte Quadratkilometer und bilden zum Teil kilometerdicke Lagen. Dies wurde erst bei der Erkundung durch Bohrungen bekannt.

Sternberg (Mecklenburg)

Der Bohrkern im Bild 26 stammt aus der Bohrung Penkun. Dort fand man in 5763 m Tiefe einen der vielen Quarzporphyre aus dem Perm. Penkun liegt im Osten Mecklenburg-Vorpommerns, nördlich von Schwedt, östlich von Prenzlau.
Auch wenn die Bildung des Baltischen Schildes in tiefer Vergangenheit begann, dauert die Plattentektonik an und verändert die Erde unaufhaltsam. Ein Indiz dafür war das Erdbeben vom 16. Dezember 2008, dessen Erschütterungen bis nach Norddeutschland spürbar waren. Das Epizentrum lag etwa 30 km östlich von Malmö, also in der Tornquist-Zone. Die Mutmaßungen über die Ursache reichen von Folgen der nacheiszeitlichen Landhebung bis zu Fernwirkungen der Auffaltung der Alpen. Letzteres ist trotz der großen Entfernung durchaus denkbar. Ganz Europa wird in den nächsten Millionen Jahren im Schraubstock zwischen der nordwärts schiebenden afrikanischen Platte und dem Baltischen Schild überformt und grundlegend umgestaltet werden. Dieser Prozess ist langsam, aber stetig.
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Anmerkungen:
1 Die Karte wurde neu gezeichnet nach Gaál, G, Gorbatschev, R.: An outline of the Precambrian evolution in the Baltic Shield. (zurück)
2 „Svekofenisch“: Manche Autoren benutzen statt „svekofennisch“ den Begriff „svekokarelisch“ - so zum Beispiel die SGU in ihren geologischen Karten. Bei anderen Autoren aber steht „svekokarelisch“ für bestimmte archaische Gesteine. Daher muss man die Bedeutung im Einzelfall prüfen. (zurück)
3 Die Karte der Rapakiwis und die Aufzählung sind zur besseren Übersicht vereinfacht. Es fehlen mehrere kleine Rapakiwiplutone in Schweden und Südfinnland, der Salmi-Rapakiwi in Russland sowie diverse von Sediment bedeckte Plutone in Estland und Lettland. (zurück)
4 Tillit auf Varanger: Die Aufschlüsse auf der Varanger-Halbinsel sind geschützte Geotope. Dort bitte nur fotografieren. (zurück)
5 Auch „Tornquist-Tesseyre-Zone“ geschrieben. Der westliche Abschnitt von Jütland bis einschließlich Schonen wird als Sorgenfrei-Tornquist-Zone bezeichnet. (zurück)
Literatur
Freden, C 1994: National Atlas of Sweden - Geology, Geological Survey of Sweden, First edition
Frisch, W, Meschede M. 2013: Plattentektonik, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 5. Auflage
Gaál, G, Gorbatschev, R. 1987: An outline of the Precambrian evolution in the Baltic Shield, Precambrian Res., 35, 15–52
Haapala, I., Rämö , O.T., 1992. Tectonic setting and origin of the Proterozoic rapakivi granites of southeastern Fennoscandia. Trans. R. Soc. Edinburgh: Earth Sci. 83, 165–171.
Högdahl K, Andersson U B, Eklund O 2004: The Transscandinavian Igneous Belt (TIB) in Sweden: a review of its character and evolution, Geological Survey of Finland, Special Paper 37, Espoo
(Quelle: https://tupa.gtk.fi/julkaisu/specialpaper/sp_037.pdf)
Lehtinen M, Nurmi PA & Rämö OT (Hrsg.) 2005 Precambrian geology of Finland. Key to the evolution of the Fennoscandian Shield - Developments in Precambrian Geology, Amsterdam (Elsevier).
Meschede, M 2015: Geologie Deutschlands Springer Spektrum, 2. Auflage
Rice, Edwards, Hansen 2012: Neoproterozoic Glacial and Associated Facies in the Tanafjord-Varangerfjord Area, Finnmark, North Norway, Field Guide 26, The Geological Society of America
Vinx R, 1998: Neue kristalline SW-schwedische Leitgeschiebe: Granoblastischer mafischer Granulit, Halland-Retro-Eklogit und deformierter, bunter Pegmatit. Archiv für Geschiebekunde 2 (6): 361-378, 2 Taf., 2 Abb., Hamburg.
Vinx R, 1999: Der Elbfindling von Hamburg-Övelgönne; Geschiebekunde aktuell 15 (4): 105-106, 107-110,
Vinx R, 2016: Steine an deutschen Küsten. Quelle und Meyer Verlag Wiebelsheim
Matthias Bräunlich, Juni 2023