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Särna-Tinguait


Zusammenfassung     english summary

Lagekarte

Särna-Tinguaite sind grünliche Porphyre mit hellen, kleinen Feldspäten und dünnen, schwarzen Ägirinnadeln. Diese Nadeln sind mehrere Millimeter lang, nur selten erreichen sie bis zu 2 cm. Die Grundmasse ist in der Regel feinkörnig und es gibt niemals Quarz in einem Tinguait.
Wenn ein Geschiebe mit grünlicher Grundmasse viele kleine schwarze Nadeln enthält und dazu noch reichlich kleine Feldspäte, dann ist es ein Tinguait und stammt aus Dalarna in Mittelschweden.

Särna-Tinguait, Bruchfläche
Bild 1: Särna-Tinguait (Bruchfläche)
Särna-Tinguait mit Verwitterungskruste
Bild 2: Särna-Tinguait, unten mit heller Verwitterungskruste

Manche Särna-Tinguaite enthalten sichtbare Kristalle von Nephelin oder Cancrinit. Beide Minerale sind von Hand nur schwer zu bestimmen und für das Erkennen des Gesteins nicht erforderlich.

 

Ausführliche Beschreibung

Zusammensetzung und Aussehen

Tinguaite sind Ganggesteine, die zu einer größeren Intrusion eines Nephelinsyenits gehören. Beide sind Alkaligesteine und kommen typischerweise innerhalb kontinentaler Platten vor, meist in Bruchzonen oder Grabenstrukturen.
In jungen Landschaften wie dem Egergraben in Böhmen werden Nephelinsyenite von Phonolith-Vulkanen überdeckt. In alten Landschaften mit abgetragenen Vulkanen findet man Tinguaite zusammen mit dem Nephelinsyenit, von dem sie abstammen.
Alkaligesteine sind selten. In Skandinavien kommen sie in großer Menge nur im Oslograben vor. Schweden besitzt nur kleine Vorkommen, wie die von Norra Kärr, Almunge, Alnö und Särna, nach dem der Särna-Tinguait benannt wurde. Der zum Särna-Tinguait gehörende Nephelinsyenit ist der „Särnait“.

Zusammensetzung und Aussehen

Tinguaite bestehen aus Alkalifeldspat (einschließlich Albit), Nephelin und Ägirin.
Das Gestein enthält so viel Kalium und Natrium, dass diese nicht komplett in den Feldspäten gebunden werden können. Als Folge des Überschusses bildet sich ein Foid, also ein Feldspatvertreter. Hier ist es Nephelin, der meistens in der Grundmasse steckt und nur in Ausnahmefällen mit bloßem Auge erkennbar ist. Vereinzelt kommt noch Cancrinit hinzu.

Tinguait aus Schweden
Bild 3: Das ist ein besonders prächtiger Särna-Tinguait

Das wichtigste Merkmal der Tinguaite ist die grünliche, grüngraue oder gelegentlich auch blaugraue Grundmasse, in der viele kleine schwarze Nadeln stecken. Das ist Ägirin, ein natriumreicher Pyroxen.
Die Ägirinnadeln sind entscheidend für das Erkennen eines Särna-Tinguaits und müssen reichlich vorhanden sein.

Särna-Tinguait
Bild 4: Schwarzer Ägirin und helle Feldspäte

Dazu kommen oft mit bloßem Auge erkennbare Feldspäte, die meist weiß oder blass-gelblich aussehen. Manche Tinguaite enthalten zwei verschieden gefärbte Feldspäte.

Frische Oberfläche eines Tinguaits
Bild 5: Typischer Särna-Tinguait, frisch
Tinguait mit Cancrinit
Bild 6: Das Braune ist vermutlich Cancrinit (ein Foid)

Wenn die dunklen Ägirinnadeln parallel liegen, zeigt eine rechtwinklig dazu verlaufende Bruchfläche die Nadeln nur im Querschnitt:

Aegirin, Tinguait
Bild 7: Ägirinnadeln, quer gebrochen
(unbeschriftetes Bild)

Eine weitere Besonderheit des Tinguaits hat mit dem hohen Natriumgehalt zu tun. Hier gibt es Albit, reinen Natriumfeldspat. Obwohl Albit zum Alkalifeldspat gehört, hat er Zwillingsstreifung und sieht aus wie ein Plagioklas.

Särna-Tinguait mit Albit
Bild 8: Albit (Pfeil) hat polysynthetische Zwillinge
(unbeschriftetes Bild)

Wenn wir uns an das Feldspatdreieck erinnern, so stehen die Alkalifeldspäte an der linken Seite und Albit ganz links unten. In den allermeisten magmatischen Gesteinen kommt Albit nur als Entmischung im Alkalifeldspat vor.

Feldspatdreieck
Bild 9: Feldspatdreieck mit Albit unten links

Weil es hier einen Überschuss an Natrium gibt, bildet sich Albit als eigenständiges Mineral (Bild 8). Trotz der polysynthetischen Zwillinge ist Albit ein Alkalifeldspat, solange sein Kalziumgehalt unter 5 % liegt. Bei mehr als 5 % Kalzium zählt Albit zum Plagioklas.
Wir haben hier also den seltenen Fall eines Alkalifeldspats mit Zwillingsstreifen. Bei magmatischen Gesteinen sind es vor allem Nephelinsyenite, in denen Albit vorkommt. (Vinx, S. 49.)6
Der zweite Feldspat im Tinguait ist der Kalifeldspat, hier im Dreieck blau dargestellt. Im Gestein erscheint er als Feldspat ohne besondere Kennzeichen.

Neben den allgegenwärtigen Feldspäten und Ägirin enthalten manche Tinguaite dunklen Glimmer:

Särna-Tinguait mit Glimmer
Bild 10: Glimmer (angewitterte Probe)
(unbeschriftetes Bild)

Weitere Minerale

Bei der Gesteinsbestimmung richtet sich unsere Aufmerksamkeit neben Ägirin vor allem auf die Feldspatvertreter Nephelin bzw. Cancrinit. Tinguaite mit erkennbaren Nephelinkristallen enthalten wenig oder keinen Cancrinit und werden überwiegend im Westen des Herkunftsgebietes (Bild 14) gefunden. Tinguaite mit viel Cancrinit dagegen sind im Osten häufiger. Die makroskopische Bestimmung dieser beiden Minerale ist anspruchsvoll.

Cancrinit ist selten und an hohen CO2-Druck im Magma gebunden. Deshalb stammen solche Tinguaite aus eher tiefen Bereichen des Vorkommens (pers. Mitteilung R. Vinx).
Der Cancrinit im Särna-Tinguait wird in der Literatur als braunes oder bräunliches Mineral beschrieben. Ob er immer diese Färbung hat, ist nicht sicher, denn das Mineral kann auch farblos aussehen. Eine wirklich verlässliche Bestimmung erfordert ein Labor und liegt außerhalb der Möglichkeiten von Amateuren. Allerdings kann man mit Salzsäure testen, sofern ausreichend Probenmaterial vorhanden ist. Dabei wird das Gestein unvermeidlich beschädigt.
Cancrinit reagiert unter Salzsäure mit der moderaten Bildung von Bläschen. Das ist deutlich zu erkennen, wenn man eine Lupe benutzt. Enthält ein Tinguait ein bräunliches Mineral, dass unter Salzsäure Bläschen abgibt, so wird es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Cancrinit handeln.
Ein weißes und stark schäumendes Mineral dagegen ist mit Sicherheit Kalzit, den man ebenfalls regelmäßig im Särna-Tinguait findet.

Nephelin ist in allen Särna-Tinguaiten enthalten. Er ist mit bloßem Auge aber nur dann erkennbar, wenn er sechsseitige schlanke Prismen bildet, die im Gestein als rechteckige oder sechseckige Kristalle mit hellgrauer oder bräunlich-gelblicher Farbe erscheinen. Mit etwas Glück erkennt man sie mit bloßem Auge, so wie im Bild 11. (Es stammt aus einer Dokumentation über das Porphyrwerk in Älvdalen.3

Särna-Tinguait mit Nephelin
Bild 11: Nephelin bildet sechseckige Kristalle
(alle Bildrechte liegen bei der SGU)3

Nephelinkristalle haben nur dann einen sechseckigen Umriss, wenn man genau von oben auf den Kristall schaut. Von der Seite her gesehen ergibt sich eine rechteckige oder quadratische Fläche - abhängig von der Länge des Kristalls.
Im Bild oben sind die beiden grauen Kristalle mit dem bräunlichen Saum (auf etwa 4 Uhr) Nephelin und ebenso der Kristall links von der Mitte. Auch die beiden großen Einsprenglinge oben links auf etwa 11 Uhr könnten ehemalige Nephelinkristalle sein, die inzwischen durch Nachfolgeminerale ersetzt wurden. Da es sich hier um historische Musterstücke eines Museums handelt, ist keine genaue Untersuchung der Proben möglich. Deswegen die vage Formulierung „könnten“.

Test mit Salzsäure

Wenn man ausreichend Probenmaterial hat oder besonders sorgsam zu Werke geht, kann man mit Salzsäure feststellen, ob es säurelösliche Minerale gibt. Beim Tinguait kommen dafür gleich drei in Frage: Kalzit, Cancrinit und Nephelin. Kalzit schäumt lebhaft und ist daran leicht zu erkennen. Cancrinit produziert ebenfalls Bläschen, aber nur moderat. Was sich auflöst, ohne zu schäumen, ist Nephelin. Nach dem Abspülen mit Wasser sieht man, wie viel es davon gab.

Tinguait
Bild 12: Tinguait vor dem Test mit Salzäure

Das zweite Bild zeigt die Wirkung der Salzsäure. Im Stein sind jetzt sechseckige Hohlräume, wo sich vorher Nephelinkristalle befanden.

Tinguait nach dem Test mit Salzäure
Bild 13: Sechseckige Löcher nach dem Test (Bild unbeschriftet)
(Animation für den direkten Vergleich)

In der Animation erkennen Sie, dass an einigen Stellen ein bräunliches Mineral verschwindet. Das ist Cancrinit. An diesen Stellen stiegen einzelne kleine Blasen auf, als der Stein in der Salzsäure lag.
Für den Test benutzte ich 12 %ige Salzsäure für die Dauer von drei Stunden. Das war mehr als reichlich. Eine spätere Testreihe zeigte, dass man erste Wirkungen schon nach 5 Minuten erkennt (bei Raumtemperatur). Empfehlenswert sind aber mindestens 30 Minuten.
Die Konzentration der Säure ist weniger wichtig als die Zeitdauer. Konzentrierte Salzsäure wirkt aber besser als die verdünnte. (Hinweise zum Umgang finden Sie hier.)
Nach einer halben Stunde sind an der Oberfläche liegende Nephelinkristalle zur Hälfte verschwunden und sechseckige Enden liegen vertieft in der grünen Grundmasse. Oft bildet sich ein weißlicher Belag auf dem Nephelin.

Wenn Sie einen Stein haben, den Sie im Ganzen behalten wollen, können Sie ihn auch aufrecht in eine Glasschüssel stellen, in der nur am Boden ein paar Millimeter Salzsäure stehen. Dann wird allein das Ende des Steins benetzt und angegriffen – sofern er denn säureempfindliche Minerale enthält. Fixieren Sie den Stein gut, damit er nicht umfallen kann.

Die Herkunft der Tinguaite

Tinguaite sind Ganggesteine. Entsprechend schwierig ist es, ein Originalvorkommen im Gelände zu finden. So ein Gang kann dünn wie ein Bleistift oder etliche Meter breit sein. Erschwerend kommt hinzu, dass in Dalarna eine dicke Schicht loser Steine fast das ganze Grundgebirge bedeckt. Darauf steht dann noch ein üppiger Wald, unterbrochen von vielen Mooren.
Das meiste, das über Tinguaite bekannt ist, stammt daher aus der Untersuchung von Nahgeschieben. Jan Lundqvist veröffentlichte dazu 1997 eine lesenswerte Darstellung2, die ich hier kurz zusammenfassen möchte:
Die Särna-Tinguaite gehören zur Intrusion eines Nephelinsyenits westlich von Särna, der dort zwei Berge bildet: den Siksjöberget und den Ekorråsen, der direkt westlich liegt. Der Nephelinsyenit heißt dort „Särnait“ und ist vom sehr viel älteren „Särna-Quarzporphyr“ umgeben.
Vom Siksjöberget-Ekorråsen-Massiv aus verlaufen Tinguaitgänge in verschiedene Richtungen.
Aus Geschiebefunden weiß man, dass es auch östlich von Särna noch Tinguaitgänge geben muss, denn solche Geschiebe häufen sich bei Trygåsvallen und noch weiter östlich beim Rönnåsen. Lundqvist vermutet, dass dort im Untergrund weitere Intrusionen stecken, die es jedoch nicht bis zur Erdoberfläche schafften. Die davon ausgehenden Tinguaitgänge haben die Oberfläche erreicht und bilden den Ursprung vieler Tinguaitgeschiebe.

Oslograben und Särna
Bild 14: Das Herkunftsgebiet der Särna-Tinguaite
Karte neu gezeichnet nach Lundqvist 1997.

Roter Punkt: Siksjöberget und Ekorråsen
Blaue Punkte: Trygåsvallen (li.) und Rönnåsen (re.)
Die rote Schraffur deutet den nördlichen Teil des Streufächers an, in dem man Tinguaite findet.
Weiße Pfeile: Eistransport der letzten Eiszeit.
Leere Pfeile: ältere Eistransporte nach Südwesten.
F = Fulufjället, T = Transtrandsfjällen.
(Basiskarte: opentopomap.org)

Damit ergibt sich ein Quellgebiet von etwa 50 Kilometer Breite, das vom Siksjöberget im Westen bis etwa zum Fluss Härjån im Osten reicht. Von dort stammen die meisten Tinguaite. Der Ort Lillhärdal liegt knapp außerhalb dieses Gebietes, denn dort wurden keine Tinguaite gefunden. Daneben gibt es vermutlich noch weitere Gänge südlich von Särna.

Das Alter der Särna-Tinguaite wurde mit 287±14 Ma bestimmt, also frühes Perm. Zur gleichen Zeit gab es heftigen Vulkanismus im Oslograben, in dem ganz ähnliche Alkaligesteine gefördert wurden. Dort öffnete sich ein Grabenbruch auf einer Länge von fast 200 Kilometern, dessen Verlängerung fast genau nach Särna zeigt. Auf der Karte zeigen zwei rote Punkte die Länge des Oslograbens in Norwegen.
Lundqvist vermutet zwischen beiden Ereignissen einen Zusammenhang. Wegen der engen chemischen Verwandtschaft und des gleichen Alters erscheint es recht plausibel, dass die Alkaligesteine bei Särna die nördlichsten Gesteine des Oslograbens sind.

Särna und der Oslograben
Bild 15: Särna in der Verlängerung des Oslograbens
Basiskarte: opentopomap.org

Tinguaite finden

Tinguaite sind selten, werden aber hin und wieder als Geschiebe gefunden. Wer nicht jahrelang suchen möchte, fährt nach Dalarna. Allerdings ist die Chance, einen Tinguaitgang direkt zu finden, verschwindend klein. Deshalb sollte man sich von Anfang an auf Nahgeschiebe konzentrieren. Auch dafür gibt Lundqvist in seinem Text Empfehlungen.
Die Suche nach Tinguaitgeschieben ist im rot schraffierten Gebiet sinnvoll, insbesondere in den Tälern. Man muss sich dabei nicht auf die Nähe der Flüsse beschränken, denn die Gletscher haben sich auch quer zu den Tälern bewegt und Tinguaite bis in größere Höhen verschleppt. Das Sandsteinmassiv des Fulufjället wurde aber nicht überquert.
Östlich vom Fulufjället und entlang des Västerdalälven ist die Suche besonders sinnvoll, vor allem in der Umgebung von Sälen und Transtrand. Dort findet man Tinguaitgeschiebe bis in eine Höhe von mehreren hundert Metern über der Talsohle.
Desgleichen gibt es Tinguaite in der Umgebung von Särna, entlang des Österdalälven, um Trygåsvallen und weiter östlich in der Umgebung des Rönnåsen.
Wenn man zwischen Mora und Särna in der Umgebung des Österdalälven und beiderseits des Västerdalälven nach Kiesgruben oder aufgebrochenem Boden sucht und dabei etwas Ausdauer mitbringt, sind Funde von Tinguaiten wahrscheinlich.
Fragen Sie immer um Erlaubnis, wenn Sie Kiesgruben, Baustellen o. ä. betreten möchten.

Landschaft in Dalarna
Bild 16: Dalarna ist bewaldet
Beim Siksjöberget
Bild 17: Am Siksjöberget

Aus Schweden habe ich von Peter Fels einige Bilder bekommen, die Tinguaite zusammen mit Särnait im Gelände zeigen. Die 1-Kronen-Münze hat einen Durchmesser von 2,5 cm.

Tinguait und Särnait
Bild 18: Tinguait (links) mit Särnait

Das Grüne ist der Rand eines Tinguaitganges. Die Münze liegt auf Särnait, dem Nephelinsyenit.

Särnait mit Tinguait
Bild 19: In der Mitte ein Tinguaitgang, der sich verzweigt.

In den Vergrößerungen sieht man, wie dünn und verzweigt die Gänge sein können. 

Tinguait im Wald in Dalarna
Bild 20: Grobkörniger Särnait mit einem Tinguaitgang.
Zum weißen Mineral in der Mitte gibt es leider keine Angaben.

Liegen solche Tinguaitgeschiebe lange im Freien, verwittern sie und bilden eine dicke gelb-graue Kruste.

Tinguait
Bild 21: Verwitterungskruste eines Tinguaits

Werden die Steine bewegt oder sind vor Verwitterung geschützt, reicht ihre Farbe von Grün über Grüngrau bis hin zu Blaugrau. Das entscheidende Kriterium beim Bestimmen sind die Ägirinnadeln.

Tinguait aus Schweden
Bild 22: Ein graublauer Tinguait
Tinguait-Geschiebe
Bild 23: Reichlich Ägirin in einem graublauen Tinguait aus Dalarna

Der Brocken im Bild 24 kommt aus einem Kiesschurf beim Siljan-See.

Tinguaitgeschiebe
Bild 24: Dieses Geschiebe kommt vom Siljansee

Seine Oberfläche ist löchrig und es fehlen längliche Minerale, was auf Nephelin deuten könnte. Diese Vermutung wurde beim Salzsäuretest bestätigt. Die kleinen Probenstücke (Bild 12,13) stammen von diesem Geschiebe hier.

Ausgewitterter Nephelin
Bild 25: Hier fehlt Nephelin

Ganz ähnlich sieht der Fund aus Kaltenkirchen bei Hamburg aus.

Tinguaitgeschiebe aus dem südlichen Schleswig-Holstein
Bild 26: Geschiebe aus einer Kiesgrube bei Hamburg

Aber hier gibt es Quarz!

Tinguaitgeschiebe aus der Nähe von Hamburg
Bild 27: Quarz? Wie ist das möglich?
(unbeschriftetes Bild)

Wie kann da Quarz sein, wenn der doch nicht neben Nephelin vorkommen kann? Die Lösung ist einfach: Dieses Geschiebe lag im Sand einer Kiesgrube. Aus diesem Sand stammt das Quarzkorn, das sich in einer Vertiefung auf der Oberfläche verklemmt hat. Der Quarz ist gar nicht Teil des Gesteins.
Übrigens kann man auf dem Quarz Spuren von magmatischer Korrosion erkennen. Damit stammt er sehr wahrscheinlich aus einem Rapakiwigranit oder einem der verwandten Porphyre.

Ein Tinguait im Straßenpflaster

Manchmal findet man einen Tinguait auch an ganz unerwarteter Stelle. Herr Fuhrmann entdeckte ein besonders schönes Exemplar im Hamburger Straßenpflaster:

Kopfsteinpflaster
Bild 28: Kopfsteinpflaster in Hamburg
 Ein Tinguait als Pflasterstein
Bild 29: Tatsächlich ein Tinguait
Tinguait mit Nephelin
Bild 30: Hexagonale Nephelinkristalle
(unbeschriftetes Bild)

Dieser Tinguait ist allein schon durch seine Lage etwas Besonderes. Dazu kommt, dass er eines der ganz seltenen Exemplare mit sechseckigen Nephelinkristallen ist. Allerdings muss man ein Foto machen, um das zu erkennen.

Ähnliche Gesteine

Es gibt eine ganze Reihe grüner Gesteine, auch mit porphyrischem Gefüge. Meistens handelt es sich um schwach metamorphe Basalte und Dolerite, die wegen ihrer Farbe als „Grünstein“ bezeichnet werden. Ihnen fehlen immer die nadelförmigen dunklen Minerale.
In Südnorwegen gibt es ebenfalls Tinguaite, die aber sehr wenige Einsprenglinge enthalten und mit einem Särna-Tinguait nicht zu verwechseln sind.
Anders ist das mit dem grünen Ganggestein „Grorudit“, ebenfalls aus Südnorwegen. Grorudite enthalten immer Ägirin, wenn auch viel weniger als ein durchschnittlicher Tinguait. Das gilt auch für die Feldspäte.
Einige Särna-Tinguaite aber haben nur so wenig Ägirin und Feldspäte, dass sie einem Grorudit sehr ähnlich sehen und kaum zu unterscheiden sind.
Allerdings enthalten Grorudite immer Quarz in der Grundmasse. Der ist zwar mit bloßem Auge nicht zu erkennen, führt aber dazu, dass bei einem Test mit Salzsäure einem Grorudit nichts passiert. Ein Tinguait dagegen enthält Nephelin, der dann aufgelöst wird.

Wegen der Verwechselungsgefahr sollte man nur solche Geschiebe als Särna-Tinguait bezeichnen, die viele schwarze nadelige Kristalle enthalten und mehr als nur ein paar einzelne Feldspäte.

Eine gelbliche, eher weiche Verwitterungskruste (oder Reste davon) spricht immer für einen Tinguait, sofern die anderen Merkmale zutreffen. Grorudite ähneln Quarzporphyren und verwittern kaum.

 

Herkunft der Proben und Koordinaten

Alle hier gezeigten Tinguaite sind Nahgeschiebe aus Dalarna, ausgenommen die der Bilder 26-30. Mein besonderer Dank geht an Elke Figaj und Xander de Jong für die Möglichkeit, Proben zu fotografieren und auch Peter Fels danke ich für seine Bilder aus Dalarna.

Koordinaten (WGS 84)
Siksjöberget: 61.724050, 12.877986
Ekorråsen: 61.72226, 12.84258 (Auch St. Ikornåsen = Stora Ikornåsen genannt.)
Trygåsvallen: 61.7798, 13.3239
Rönnåsen: 61.7675, 13.6412

Literatur

1. Hesemann J., 1975: Kristalline Geschiebe der nordischen Vereisungen
Geologisches Landesamt Nordrhein-Westfalen

2. LUNDQVIST, J., 1997: The tinguaite boulder fan in northern Dalarna, Sweden and the Permo-Carboniferous rifting of Scandinavia. GFF, Vol. 119, pp. 123–126. ISSN 1103-5897

3. LUNDQVIST, T., SVEDLUND, J. O. 2008: Provsamlingen i Älvdalens Nya Porfyrverk – geologiska beskrivningar, Sveriges geologiska undersökning, SGU-rapport 2008:1
(Die Dokumentation über die im Porphyrwerk Älvdalen verwendeten Gesteine wird von der SGU im Internet angeboten, ist allerdings nicht direkt zu erreichen. Man muss die Seite der Publikationen aufrufen: https://apps.sgu.se/geolagret/
Geben Sie oben links in das Suchfeld ein: „Provsamlingen i Älvdalens Nya Porphyrverk“. Die Datei taucht rechts in den Suchresultaten auf. Speichern per Rechtsklick.)

4. MARESCH, SCHERTL, MEDENBACH 2014: Gesteine. 2. Auflage, Schweizerbart Stuttgart

5. TRÖGER, W. Ehrenreich: Spezielle Petrographie der Eruptivgesteine
Nachdruck durch den Verlag der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft, 1969

6. VINX, R. 2015: Gesteinsbestimmung im Gelände. 4. Auflage, Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg

Für die Darstellung des Fundgebietes wurde Kartenmaterial von opentopomap.org benutzt.

 

Druckfassung (PDF)

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