Wird ein durchschnittliches Gestein erhitzt, so verhält es sich nicht
wie ein Stück Eis, das einfach schmilzt und dabei seine Form
verliert.
Gesteine schmelzen in Etappen, denn sie bestehen aus
verschiedenen Mineralen, die jeweils eigene, unterschiedliche
Schmelzpunkte haben.
Bei Erwärmung verflüssigen sich zuerst die hellen Minerale (Quarz bzw.
Feldspäte), denn sie haben die niedrigsten Schmelzpunkte. Das umgebende
Gerüst an Mineralen bleibt dabei
noch fest.
Bei weiter steigender Temperatur verflüssigt sich anschließend das
Mineral mit dem nächst höheren Schmelzpunk und so fort, bis zuletzt alle
Minerale flüssig sind. In diesem Prozeß wird eine weite Temperaturspanne
durchlaufen.
Der Schmelzpunkt eines Minerals hängt dabei von mehreren Faktoren ab.
Die Anwesenheit von Wasser und CO2
hat einen großen Einfluß. Beide erniedrigen allein durch ihre Gegenwart
die Schmelzpunkte der anderen Minerale dramatisch.
Ebenso beeinflussen sich verschiedene Minerale gegenseitig, d.h. allein
das Vorhandensein des einen verändert den Schmelzpunkt eines anderen.
Zusätzlich spielt der Druck innerhalb des Gesteins eine entscheidende
Rolle. Bei hohem Umgebungsdruck schmelzen Minerale später, also bei
höheren Temperaturen.
Bei niedrigem Druck setzt die Aufschmelzung bereits bei niedrigeren
Temperaturen ein.
Auch wenn der ganze Prozeß im einzelnen sehr komplex ist, bleiben
grundlegende Abläufe
gleich und können immer wieder beobachtet werden. Eine solche Konstante
ist die, daß in den Gesteinen die hellen Minerale Quarz und Feldspat
zuerst schmelzen.
Ein Migmatit ist ein Gestein, bei dem diese Teilaufschmelzung begonnen
hatte, aber nicht bis zu Ende ging, sondern steckenblieb. Damit steht
ein Migmatit zwischen einem Gneis (Deformation, aber keine Schmelze) und
einem magmatischen Gestein, das komplett aufgeschmolzen war und dann
erkaltete.
Migmatite entstehen hauptsächlich bei Gebirgsbildungen, bei denen
Gesteine in große Tiefen versenkt werden. Am Anfang bewirken die
ansteigenden Temperaturen und der größer werdende Druck „nur“ die
Bildung neuer Minerale. Steigen die Temperaturen aber weit genug,
schmelzen die ersten Minerale. Ab dann spricht man von "Anatexis"
(Gesteinsaufschmelzung). Sie beginnt an der Oberfläche der Minerale.
Dabei entsteht ein dünner, kriechfähiger Film von Schmelze, der sich
entlang der Korngrenzen bewegt und in den Zwickeln (den "Ecken")
sammelt. Nach und nach verbinden sich die winzigen Schmelztröpfchen zu
größeren Ansammlungen und trennen sich dabei von den noch festen,
dunklen Mineralen.
An dieser Trennung von hellen und dunklen Komponenten erkennt man einen
Migmatit.
Der Effekt ist mit bloßem Auge auf der Oberfläche der Gesteine zu sehen.
Das erste Bild zeigt einen solchen Migmatit:
(Geschiebe von Hohwacht, Ostsee)
 
Auf den ersten Blick zeigt das Gestein ein gewöhnliches Gneisgefüge mit
kräftiger Foliation. Schaut man genauer hin, sieht man, daß die hellen
Lagen von einem dünnen Saum aus dunklen Mineralen eingerahmt
sind. Im Bild unten zeigen Pfeile auf diese dunklen Ränder. Das ist die
Trennung der hellen von den dunklen Mineralen, die durch Aufschmelzen
der hellen Komponenten entstand.
Die hellen Lagen sind Quarz-Feldspat-Gemische, die sich von den dunklen
Mineralen separiert haben.
 
Vergleicht man die Gefüge innerhalb der hellen und der dunklen Zonen, so
zeigt sich interessantes. Während die dunklen Minerale eingeregelt
sind, haben die hellen Partien ein ganz anderes, nämlich ein
magmatisches Gefüge. Die Quarz-Feldspat-Regionen sind
undeformiert!
Auch im nächsten Bild ist das zu erkennen. In der oberen Hälfte sind die
Feldspäte (gelb und rötlich) sowie Quarz (hellgrau) neu
auskristallisiert. Ihr Gefüge ist richtungslos und körnig.
Darunter liegen die Partien mit den dunklen Mineralen, die noch das
deformierte, nicht aufgeschmolzene Gneisgefüge haben.
 
Der Ausschnitt stammt aus dem Gestein hier unterhalb. Es handelt sich um
einen
rötlichgrauen Migmatit, fotografiert in der Kiesgrube in Damsdorf,
Schleswig-Holstein.
Der Stein ist etwa 25 cm breit:


Sie finden Migmatite überall im Geschiebe. Häufig
sind es besonders die großen Geschiebe, die solche Gefüge zeigen.
Schauen Sie bei Gesteinen mit gneisigem oder schlierigem Gefüge die
hellen und die dunklen Partien an und vergleichen Sie deren Gefüge.
Zum Erkennen eines Migmatits kann es nötig sein,
das Gestein aus einer gewissen Entfernung anzuschauen. Die Trennung
der hellen und dunklen Partien kann auch im Dezimetermaßstab
auftreten, so daß die typischen Gefüge erst auf metergroßen Flächen
gut erkennbar werden. Zur Prüfung des Gefüges in den hellen Teilen
braucht man aber in der Regel eine Lupe.
Dieser abgerundete Block liegt am Südufer des Kullaberges in
Halland, Südwestschweden. Er zeigt streifig abgesonderte, helle und
dunklen Schlieren.
  
Breite
des Gesteins: ca. 1,2 m
Wenn das Gefüge so wie hier noch recht gneisähnlich aussieht, ist
ein genauer Blick auf die hellen Minerale nötig. Zeigen diese
Einregelung, ist das Gestein noch ein Gneis. Sind die hellen Teile
ungeregelt und richtungslos, liegt ein Migmatit vor.
Es gibt durchaus Übergänge, die man dann als migmatitische Gneise
bezeichnen kann.
Mit voranschreitender Aufschmelzung jedoch wird das
eingeregelte Gneisgefüge verwischt und macht schlierigen und
diffus-wolkigen Anordnungen platz.
Das nächste Beispiel zeigt solche hellen Partien, die sich
weitgehend unabhängig im Gestein verteilt haben.
Das abgebildete Gestein ist ein amphibolitischer Migmatit.
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Amphibolitischer Migmatit. Strandbereich bei Wallengrens
Grotta, Kullaberg, Südwestschweden. Bildbreite etwa 1 m. |
Ursprünglich war das abgebildete Gestein
ein Basaltgang. Das kann man heute noch im
Gelände gut erkennen. Dieser Gang wurde während der
svekonorwegischen Gebirgsbildung vor etwa 1 Mrd. Jahre durchgreifend
metamorphisiert. Dabei wurde aus dem Basalt ein Granatamphibolit.
Die Temperaturen und Drücke waren hoch genug, um einen Teil der
hellen Minerale aufzuschmelzen.
Da es in diesem Gestein keinen Alkalifeldspat gibt, besteht das helle Mineralgemisch, das Leukosom, aus Plagioklas und etwas Quarz.
Es hat damit eine ungefähr tonalitische Zusammensetzung.
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Viele Migmatite zeigen eine lebhafte Zeichnung
und können geradezu bunt sein. Gelegentlich wirkt das Gestein
wie geknetet oder durchgerührt.
Außerdem sind Migmatite ausgesprochen zähe und feste Gesteine.
Deswegen sind sie geschätzte Werksteine.
Ein Friedhof oder eine Natursteinhandlung sind ein
guter Ort, um nach solchen Gesteinen Ausschau zu halten.
Links: Grabsteinrohling, südwestschwedischer Migmatit, etwa 1,20
m hoch
(Das Foto habe ich in der Ausstellung der Firma Hemmerich in
Barsbüttel bei Hamburg gemacht.)
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Bei der Beschreibung von Migmatiten werden
folgende Begriffe benutzt:
Paläosom: Damit wird das unveränderte, bereits
metamorphe, aber noch nicht aufgeschmolzene Ausgangsgestein
bezeichnet.
Neosom: Das Neosom ist der durch die Aufschmelzung
veränderte Teil des Gesteins.
Es besteht aus Leukosom und Melanosom.
Leukosom: Damit werden die hellen, aufgeschmolzenen
und neu kristallisierten Bestandteile benannt. Leukosome zeigen oft
die typischen Feldspatfarben wie zum Beispiel gelb, weiß oder ein
kräftiges Rot.
Melanosom: Das ist der dunkle, übrig gebliebene und
noch nicht aufgeschmolzene Teil
(= Restit).
"Paläosom" und "Neosom" sind manchmal nur schwer oder gar nicht von
einander zu trennen.
Daher ist es durchaus sinnvoll, sich nur auf "Leukosom" und "Melanosom"
zu beschränken.
Zum Schluß noch ein paar Bilder von flächenhaft anstehendem
Migmatit.
Die Fotos entstanden auf der Insel Kökar, die zum finnischen
Ålandarchipel gehört.
Die Gesteine dort gehören zum svekofennischen Grundgebirge und sind
etwa 1,8 Mrd. Jahre alt.
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Das Bild zeigt einen insgesamt recht hellen Migmatit mit
vereinzelten Linsen und Streifen von dunklen Gesteinspartien.
Diese dunklen Reste waren offensichtlich in Auflösung begriffen.
Sie sind bereits zerfallen und von hellen Gängen des schon
fließfähigen Umgebungsgesteins durchzogen.
 
Bildbreite etwa 2 m
Beachten Sie die Ränder des dunklen Gesteins. Die von
außen einwirkende
helle Schmelze erzeugte einen buchtigen Umriß.
Solche gewellten Kontaktflächen zwischen verschiedenen
Gesteinstypen sind
ein Hinweis darauf, daß beide Gesteine im plastischen Zustand
waren.
 
Bildbreite oben und
unten jeweils etwa 1 m.
 
Dieser dunkle Einschluß ist vom umgebenden, schon teilweise
verflüssigtem Gestein erweicht und dabei zerschert worden. Hätte
die Aufschmelzung länger angedauert, wäre von dem Einschluß
vermutlich nur ein Schatten geblieben, wie er in der linken
unteren Bildhälfte als unscharfer, länglicher Streifen zu sehen
ist. |
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